#KeinschönerLand

Von Redaktion

Mutmach-Geschichte

#KeinschönerLand

von Christin Arens

Die Zutaten:

Zwei Frauen, ein Spaziergang und bleibende Erinnerung.

Vorwort der Herausgeber zur Geschichte

Dieser humorvolle Erfahrungsbericht hat uns einige Male ein Lächeln ins Gesicht gezeichnet. Eine warmherzige Erzählung über Mut, Freundschaft, Pobacken und den Zauber der Musik in Zeiten der Pandemie. 

Wir danken Christin Arens für Ihren Beitrag.

Soll ich oder soll ich nicht?

Soll ich oder soll ich nicht?  Alles so gefährlich, nicht greifbar. Ich gebe mir einen Ruck und bin mutig.

Strahlend blauer Himmel, die Sonne lacht, Blütenduft liegt in dieser wunderbar klaren Frühlingsluft. Ich sage „Ja!“ zu einem Treffen mit meiner ältesten und besten Freundin. Ein Treffen während des Lockdowns, Corona hat alles im Griff. Freunde werden zu Gefahrenquellen, wie traurig. Und wir treffen uns trotzdem, am Rhein, in unserer Domstadt, mit Abstand – in all seinen verwirrenden Facetten:

Alles haben wir gemeinsam erlebt, seitdem wir uns in der ersten Klasse kennenlernten. Lachen, Tränen, Dramen, Freude, Verluste. Seitdem sind wir beste Freundinnen, Lebenskomödiantinnen, am liebsten mit schmunzelndem Blick auf das Geschehen, Gleichgesinnte im Geiste, Schwestern im Herzen. Und jetzt plötzlich diese Distanz.

Sitzen am äußersten Rand der Bank

Wir sehen uns, Freude überwiegt vor der Angst, vor der unsichtbaren Gefahr. Keine Umarmung – traurig, aber besser so. Unsicherheit. Wir gehen nebeneinanderher, sprechen, meiden es, uns zu nahe zu kommen. An der Bank am Rhein ein wunderschöner Blick auf das in der Sonne glitzernde Wasser, friedliches Tuckern vorbeifahrender Frachtschiffe, eine Traumkulisse. Alles so schön, wie immer im Frühjahr, dieser prachtvollen Zeit des Aufbruchs und des neu entstehenden Lebens.

Wir setzen uns. Jede am äußersten Rand der Bank, „Pobackenüberhang“, wir lachen. Es befreit.
Wir reden, essen mitgebrachte Kleinigkeiten. „Isst Du das jetzt nicht, weil ich in die Packung reingegriffen habe?“. Beklommenheit.

Wir fühlen uns so vertraut aber doch auch so fremd in dieser surrealen Zeit. In der ein Virus die Welt beherrscht, nicht zu fassen.

Es ist Zeit zu gehen, die Sonne steht schon tief. Ich begleite meine Freundin zur Bahnhaltestelle.
Der Weg dorthin ist Slalom: Entgegenkommende Passanten, Abstand halten, Jogger umschiffen.

Wir erreichen die Haltestelle. Idyllisch liegt sie mitten im Grünen. Der Bus steht schon da. Eine Frau wartet. Die Anzeigetafel verrät uns: Noch zehn Minuten bis zur Abfahrt.

Wir warten, sprechen leise, wabern unauffällig abstandsuchend umeinander. Der Busfahrer steigt aus dem Bus. Er geht ein Stück entlang der Bahngleise. Bleibt stehen, mit dem Rücken zu uns, hält sein Gesicht in das Licht der untergehenden Sonne. Schaut geradewegs in die Pracht der blühenden Bäume vor orangerotem Horizont. Die letzten Sonnenstrahlen umspielen seine Silhouette.

"Fanden Sie das gut?"

Er zieht etwas aus der Hosentasche. Stille und Vogelgezwitscher. Dann ertönt sie: Die mundharmonikageblasene Melodie „Kein schöner Land in dieser Zeit, als hier das unsre weit und breit. . .“. Der Busfahrer spielt sie in diese Schönheit, Stille, Unsicherheit und Verzweiflung hinein, es berührt uns zutiefst. Als er aufhört, klatschen wir. Er dreht sich um. Ein sympathisch zurückhaltender Mann schaut uns überrascht an, fragt schüchtern in rheinischem Dialekt: “Ja? Fanden Sie das gut?“

Mit feuchten Augen nicken wir. Rufen ergriffen, lachend, begeistert: “Jaaa! Das war so toll, vielen Dank für diesen wunderbaren Moment!“. Er freut sich. Erzählt: Schon sein Opa spielte Mundharmonika, dann sein Vater. Mit den Kindern, beim Lagerfeuer am Rhein. Und so spielt er nun auch. Immer dann, wenn er während seiner Arbeit eine Wartezeit hat: „Ist doch besser als Corona“, sagt er. „Stimmt“, finden wir.

Und da ist er wieder, einer unserer zauberhaften, verbindenden, vielfach erlebten, gemeinsamen Momente.

Der Mann mit der Mundharmonika hat Corona für eine kurze Zeit lang weggeblasen.

„Das Leben ist voller Schönheit und hält selbst in den dunkelsten Stunden die ein oder andere Überraschung für uns bereit.“
Christin Arens
Autorin

Wer hat hier geschrieben?

Christin Arens lebt und arbeitet in Köln. Dort gibt sie unter anderem Theater- und Schreibworkshops für Erwachsene und Kinder.

Neben Texten für PR, Fachzeitschriften und Publikationen schreibt sie Gedichte und Geschichten.

Das Goetheinstitut publizierte in dem Buch „Eingewanderte Wörter“ ihren Text „Die doppelte Süße des Bonbons“.

Christin

Diese Geschichte von Christin Arens ist Teil des Schreibwettbewerbs „Mut in der Krise“ und beruht auf einem persönlichen Erlebnis.

Genauere Informationen zum Wettbewerb findest du hier: Mut in der Krise.