Neuanfang

Von Redaktion

Mutmach-Geschichte

Neuanfang

von Kim Adlhardt

Die Zutaten:

Eine Diagnose, Selbsterkenntnis und wahre Freunde.

Vorwort der Herausgeber zur Geschichte

Wer in so jungen Jahren schon eine Krankheit diagnostiziert bekommt, fällt in ein tiefes Loch. Verständlich! Sich am eigenen Schopfe hier wieder herauszuziehen, dass ist die wahre Lebenskunst, über die du hier lesen kannst.

Wir danken Kim Adlhardt für Ihren Beitrag.

Gefürchteter Stillstand

Ich bin 22 Jahre jung und dachte immer, dass ich das für mich perfekte Leben führe. Ich bin aktive und erfolgreiche Motorsportlerin, habe einen großen Freundeskreis, bin immer unter Strom und nie im Stillstand.

Doch dann hat sich mein Leben in nur einem Moment auf den Kopf gestellt und mich gezwungen in genau diesen gefürchteten „Stillstand“ zu kommen.

Da ich immer wiederkehrende Probleme mit meinen Augen hatte und kurz darauf auch Taubheitsgefühle in den Beinen dazu kamen, musste ich ein paar Untersuchungen bei meinem Arzt machen.

Und dann passierte es: Ich habe im Krankenhaus die Diagnose „Multiple Sklerose“ bekommen.

Anfangs hat es mich nicht sonderlich berührt. Ich war egoistisch und dachte nur: „Scheiß drauf, mein Leben geht genauso weiter wie bisher, ich ändere bestimmt nichts. Warum auch – ich bin ja jung und fit und werde das schon schaffen.“

Im Nachhinein weiß man es besser, heißt es immer wieder. Stimmt!

Das Gefühl in meinen Beinen

Ich hätte etwas ändern sollen, denn mein Körper hat mir sehr deutlich gezeigt, dass ich mehr Acht auf mich geben muss. Meine körperlichen Probleme nahmen immer mehr zu, auch die Abstände dazwischen wurden immer kürzer. Dazu gehörte zum Beispiel, dass ich teilweise nur ganz verschwommen sehen konnte. Es fühlte sich an, als hätte ich etwas im Auge oder als würde ich durch ein schmutziges Glas schauen. Die größeren Probleme hatte ich jedoch mit meinem Armen und Beinen, die immer wieder „einschliefen“. Einmal bin ich zum Beispiel einfach in meiner Wohnung gestürzt, weil das Gefühl in meinen Beinen so abrupt nachgelassen hatte.

Da sich meine Krankheit verschlimmerte, habe ich mit einer Therapie beginnen müssen – der nächste Denkanstoß. Trotzdem war ich weiterhin ständig im Stress und wollte es einfach nicht wahrhaben. Dazu kam, dass ich mit niemandem über all das reden konnte, was in mir vorging.

Das führte dazu, dass ich alles in mich „reingefressen“ habe – „Ok, dann mach ich eben eine Therapie, aber Hilfe brauch ich nicht – ich bin schließlich stark. Wozu andere damit nerven, das ist allein mein Ding, ich bekomme das schon in den Griff. Wär ja gelacht.“

Das ich mir da selbst etwas vormachte, merkte ich schnell: Ich war ständig schlecht gelaunt, richtig unglücklich, konnte mich selbst nicht mehr leiden und schlafen konnte ich auch nicht mehr richtig. Ich hatte keine Lust mehr, mich mit meinen Freunden zu treffen, etwas zu unternehmen oder Sport zu machen.

Alles, was mich als Person ausmachte, was mir immer riesigen Spaß gemacht hatte, empfand ich nun nur noch als ständige Belastung. Was passierte mit mir? Trotz allem konnte ich mich nicht dazu aufraffen mit meinen engsten Freunden über alles zu reden. Ich wollte kein Mitleid und vor allem wollte ich es einfach nicht akzeptieren, dass etwas in meinem Körper nicht stimmt und ich etwas ändern muss. Wie sollte ich auch etwas ändern?

In meinem Kopf schwirrten so viele Fragen, die niemand beantworten konnte. Ich fühlte mich von meinem Körper im Stich gelassen und hatte riesige Ängste, die Kontrolle über mein Leben zu verlieren. Ständig suchte ich nach Ablenkung, um nicht mit meinen Gedanken allein zu sein.

Mein Körper rächte sich und zeigte mir ein übergroßes Stoppschild nach dem nächsten. Es kam dazu, dass ich ständig krank wurde. Ich war so erschöpft. Fünfmal musste ich eine Antibiotikatherapie machen, da eine Lungenentzündung die nächste jagte.

Mein Körper war so ausgelaugt von den vielen Medikamenten und den vielen Therapien, die in so kurzer Zeit auf mich zukamen. Und nicht nur mein Körper, auch meine Seele war ausgelaugt. Ich konnte so nicht mehr weitermachen – ich hatte panische Angst, vor dem was in der Zukunft auf mich zukommen könnte, wenn ich nicht sofort mein Leben, mein Denken und mein Handeln verändere. Diese Angst vor der Zukunft machte mich wahnsinnig und nahm mir die letzte Lebensfreude. Endlich hatte ich es kapiert: „Mein Körper zwingt mich, mich mit mir selbst auseinanderzusetzen. Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, etwas zu ändern!“

Im Nachhinein betrachtet, ist es wohl das Beste was mir passieren konnte.

Ja, der Anfang war schwer – denn wo fängt man an, sich selbst oder sein Leben zu hinterfragen? Doch kein „Neuanfang“ ist ein Zuckerschlecken und ich konnte so nicht mehr weiterleben.

Das klingt jetzt vermutlich etwas komisch, doch der erste Schritt war, mich selbst kennenzulernen. Ich habe damit angefangen auf meinen Körper und meine Bedürfnisse zu achten – versuchte mich von meinem Leben „tragen“ zu lassen.

Ich fing wieder an „alten Hobbies“ nachzugehen – das Lesen war schon immer eine Leidenschaft von mir. Etliche Bücher mit dem Thema der Selbstfindung habe ich verschlungen. Wieso hatte ich das die letzten Jahre so vernachlässigt?

Auch neue Hobbies wie Yoga, Meditation oder das Schreiben kamen hinzu. Ich ließ alles zu, was mir gut tat. Ich konnte endlich wieder besser schlafen, war wieder gut gelaunt, habe neue Lebenslust entwickelt und war insgesamt einfach entspannter. Meine Symptome kamen weniger oft vor und das war für mich ein Zeichen, dass ich auf dem richtigen Weg bin.

Über den Tellerrand

Je besser es mir ging, umso motivierter war ich, noch mehr umzusetzen und noch mehr auszuprobieren. Es machte mich glücklich, die Komfortzone zu verlassen und über den Tellerrand zu blicken. Natürlich hatte ich unzählige Hochs und Tiefs während dieser Zeit – man bemerkt bekanntlich erst, wer die wahren Freunde sind, wenn man am Tiefpunkt ist.

Auch das ist mir passiert – ich war überrascht auf wie viele Personen in meinem Leben ich verzichten kann, da sie nur den Erfolg oder die guten Zeiten mit mir geteilt und gelebt haben. Dafür habe ich aber auch die Möglichkeit bekommen, zu sehen wer von meinen Freunden immer an meiner Seite steht und immer zu mir hält – und diese wenigen Freundschaften sind mitunter das Wertvollste, das ich besitze.

Auch von mir selbst war ich überrascht, ich entwickelte mich teilweise zu einer ganz anderen Person. Eine Person, die mir mittlerweile lieber ist, als die Person, die ich geglaubt habe, sein zu wollen.

Früher waren meine Prioritäten ganz klar mit Erfolg verbunden, es war für mich immer wichtig die Beste zu sein und immer perfekt auf alle Menschen in meinem Umfeld zu wirken. Mittlerweile habe ich eingesehen, dass es wichtigere Sachen im Leben gibt, als immer nur die Starke und die Tolle „vorzuspielen“ oder ständig nachzudenken, wie man auf Andere wirken möchte.

Viel wichtiger ist es doch, einfach nur glücklich zu sein und jeden Tag mit den Dingen zu verbringen, die einem zum Glücklichsein verhelfen.

Ja – mein Leben, meine Werte, meine Ziele, meine Träume haben sich geändert.

Ich bin dankbar für all die schönen Dinge in meinem Leben, die ich vorher nie wertgeschätzt habe. Zum Beispiel wie wertvoll es ist, jeden Tag voll genießen zu können und die Freiheit zu haben über sein eigenes Leben zu entscheiden – oder wie wertvoll es ist, die Unterstützung von Freunden oder der Familie zu bekommen und auch anzunehmen.

Diese Dankbarkeit und dieses Glück zeigen mir, das ich am absolut richtigen Weg bin – und dieser Weg ist noch lange nicht zu Ende. Man entwickelt sich ständig weiter und so viele Möglichkeiten ergeben sich im Leben, wenn man bereit ist diese zu sehen und anzunehmen.

Aufstehen und Weitermachen

Jedes negative Ereignis bringt etwas Positives mit sich, auch wenn dieses Ereignis einem vorerst den Boden unter den Füßen wegreißt.

Es ist okay, wütend zu sein. Es ist okay, traurig und verzweifelt zu sein.

Nur irgendwann ist es an der Zeit, aufzustehen und weiterzumachen. Denn manche Dinge im Leben kann man einfach nicht ändern, man kann lediglich das Beste aus der Situation herausholen.

Und es gibt nur eine Person, die dir helfen kann, dein Leben zu verändern – und das bist du selbst.

„Dinge akzeptieren, die man nicht ändern kann.“

Das ist wohl der Satz, mit dem ich mich die letzten Monate bzw. Jahre am meisten auseinandersetzen musste und der mir Mut für die Zukunft macht.

Wer hat hier geschrieben?

Mein Name ist Kim und ich bin 22 Jahre jung. Beruflich bin ich als Kauffrau tätig.

Wenn ich nicht gerade sportlich aktiv bin, lese ich gern ein gutes Buch. Da ich immer schon gerne und viel gelesen habe, habe ich jetzt eine neue Leidenschaft entwickelt: das Schreiben.

Veröffentlicht habe ich noch nichts – bis jetzt!

In dieser Sache möchte ich mich weiterentwickeln und hoffe, dass meine Geschichte dem ein oder anderen etwas Mut gibt!

Kim

Diese Geschichte von Kim Adlhardt ist Teil des Schreibwettbewerbs „Mut in der Krise“ und beruht auf einem persönlichen Erlebnis.

Genauere Informationen zum Wettbewerb findest du hier: Mut in der Krise.